So verlief der Themenabend "Mobbing und Gewalt in Schulen vorbeugen"

Zusammenfassung

Annette Willms begrüßte um 19 Uhr das Podium

  • Frau Annabel Krome (Landespräventionsstelle gegen Gewalt und Cybergewalt an Schulen in Nordrhein-Westfalen)
  • Herrn Frank Schier (Kriminalhauptkommissar und Jugendbeauftragter der Düsseldorfer Polizei)
  • Frau Anja Niebuhr (Zentrum für Schulpsychologie)
  • Frau Sarah Wennerscheid-Cremers (Schulsozialarbeiterin)

und die gut 30 interessierten Eltern.

Annette Willms führte in das Thema des Abends mit dem DGUV Barometer „Gewalt unter Schülerinnen und Schülern“ ein. Frau Niebuhr ordnete die Zahlen ein: das Thema Gewalt an Schulen sei zurzeit in aller Munde, auch aufgrund des Anstiegs nach dem „Coronaknick, aber ein Blick auf die Jahre vor Corona zeige, dass die Zahlen nicht auf das Vor-Corona-Niveau gestiegen seien. „Wer ist Chef auf dem Schulhof?“ sei auch bereits früher ein Thema gewesen, zurzeit sei die „Zündschnur“ vieler Kinder aber offenbar besonders kurz. Ihr Ansatz sei, die Kinder im Sozialkontakt zu stärken. Sie betonte, dass die Unfallkasse nicht nur für körperliche Verletzungen aufkomme, auch eine Therapie für seelische Verletzungen nach Mobbing (zielgerichtetes Quälen über lange Zeit) - auch ohne „Arztbrief“ nach einem einzelnen Vorfall – sei möglich. Frau Wennerscheid-Kremers ergänzte, dass sie auch zunächst nach Corona den Eindruck gehabt habe, dass die Gewalt zugenommen habe, aber die Zahlen seien nicht so. Was an ihrer „Multi-Kulti-Schule“ mit Kindern mit zu 95 % Migrationshintergrund aus 50 Ländern stark zugenommen habe, seien rassistische Herkunfts-Beleidigungen, die aber nicht häufiger zu körperlicher Gewalt führten.

Eine andere Erfahrung macht Herr Schier im Bereich der Jugendkriminalität: die „Corona-Delle“ sei überkompensiert worden. Es gebe eine sehr deutliche Steigerung der Gewaltdelikte und eine insgesamt höhere Intensität. Insbesondere der Einsatz von Waffen habe stark zugenommen, so viele Vorfälle mit Messern wie zurzeit habe es seit 20 Jahren nicht gegeben. Er vermute, dass es nicht nur, aber auch an Schulen eine höhere Dunkelfeldquote geben dürfte als früher, da die Polizei einen Mentalitätswechsel bzw. eine Änderung des Selbstverständnisses beobachte: Kinder und Jugendliche würden heute gewalttätige Konflikte eher als Privatsache betrachten, die untereinander bzw. unter Zuhilfenahme der jeweiligen Kumpels geklärt würden. Die Polizei werde oft nicht involviert. Er rief dazu auf, Gewalttaten anzuzeigen, denn erst nach einer Anzeige könnten die Fachleute aus Polizei und Justiz tätig werden.

Frau Willms wies auf die Zahlen der EDS-Umfrage hin: nur 14 % der Befragten kennen das Gewaltschutzkonzept ihrer Schule(n). Frau Krome betonte, dass ein Gewaltschutzkonzept durch die ganze Schulgemeinschaft gelebt werden müsse. Die Partizipation auch der Eltern sei sehr wichtig. Bei der oft langjährigen Implementierung gehe es darum, eine Haltung dem Thema Gewalt gegenüber zu entwickeln. Manche Eltern müssten im Prozess der Implementierung ihre eigene Haltung zum Thema Gewalt ändern. Gewalterfahrung zu Hause führe oft zu einer entsprechenden Haltung in der Schule.

Frau Niebuhr verwies auf § 42 Abs. 6 Sätze 3 und 4 des Schulgesetzes („Jede Schule erstellt ein Schutzkonzept gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch. Es bedarf der Zustimmung der Schulkonferenz.“). Diese Pflicht sei neu, bestehe erst seit Herbst 2022, weshalb die Prozesse in vielen Schulen noch nicht abgeschlossen seien. Dabei seien Partizipation aller und Kommunikation ganz wichtig. Es gebe Materialien vom Schulministerium, aber Ziel sei, ein Gewaltschutzkonzept für jede Schule individuell zu entwickeln, das dann auch wirklich „passt“ und im Ergebnis von allen befolgt werde. Wichtig sei besonders, dass alle Lehrerinnen und Lehrer mitziehen und das entwickelte Konzept befolgen. Eine Idee sei, zu Beginn des Prozesses eine Umfrage unter den Schülern zu Gewalt und eine weitere Umfrage unter den Eltern abzuhalten. Frau Krome warf ein, Ziel der individuellen Entwicklung der Gewaltschutzkonzepte sei, herauszufinden wo in der jeweiligen Schule – örtlich und in welchen Situationen – Kinder sich unsicher bzw. unwohl fühlen.

Herr Schier befürchtet, dass die Implementierung der Gewaltschutzkonzepte sehr lange dauern werde. So bestehe bereits seit 2006 eine Pflicht, an jeder Schule Notfallpläne zu entwickeln („Amok-Ordner“), und selbst zehn Jahre später sei dies noch nicht überall umgesetzt worden. Er riet den Eltern, selbst aktiv zu werden und bei den Schulleitungen nachzufragen.

Frau Niebuhr betonte, die Arbeit an der Haltung erfolge durch die Arbeit am Konzept: wenn Systeme anfingen nachzudenken, bewirke dies Veränderung. Dabei müsse die Bestandsaufnahme an der jeweiligen Schule die Basis für die Arbeit am Schutzkonzept sein.

Frau Wennerscheid-Kremers ergänzte die Bedeutung der Einbindung der Schülerinnen und Schüler und erwähnte als Beispiel Streitschlichter bzw. „Buddies“ (Motto: „Miteinander, füreinander, voneinander“). Dies Konzept setze eine Ausbildung voraus, sei aber eine Möglichkeit, weitere Ansprechpartner für die Kinder zu schaffen.

Frau Krome ergänzte den Hinweis auf das Programm „Gemeinsam Klasse sein“, ein Programm gegen Cybermobbing, bei dem die Klasse selbst Regeln für den Umgang in den sozialen Medien erarbeitet.

(https://www.gemeinsam-klasse-sein.de/anti-mobbing/projektinformationen-2033564)

Wichtig sei ihr, bei den Gewaltschutzkonzepten der Schulen die Eltern und andere mit ins Boot zu holen. Die Haltung in der Schule sei sonst nicht zwangsläufig die Haltung außerhalb der Schule. Kinder passten sich der jeweiligen peer group in Vereinen oder auf dem Spielplatz an, deshalb sei es wichtig, auch dort auf eine Haltungsänderung hinzuwirken. Kinder brauchten Selbstwirksamkeit und Partizipationsmöglichkeiten, Ohnmachtserfahrungen führten zu Gewalt.

78 % der Eltern kontrollierten nichts, was die Kinder im Netz/Cyber machen. Dies müsse sich ändern und dafür gebe es ein Angebot an Fortbildungen und Kursen, etwa der Landesmedienanstalt.

Frau Niebuhr sagte, Kinder erführen die Welt aufgrund der Krisen und Konflikte – auch vermittelt durch das Internet - zunehmend als unsicher(er) geworden. Die Frage sei, wie wir unsere Kinder resilient machen können. Familien müssten ein stabiler, sicherer Ort sein, um Kinder zu stärken.

Frau Krome ergänzte zum Stichwort Internet, dass die anonyme Meldestelle „Zebra“ gegen Cyber grooming helfen könne. Dort können Vorfälle im Netzt anonym gemeldet werden, die anschließend untersucht würden. Die Plattform sorge für die Löschung und die Anzeigenerstattung.

(https://www.fragzebra.de/cybergrooming)

Zum Ende der Diskussion erinnerte Frau Wennerscheid-Kremers daran, dass es Zeit brauche, Mobbing-Strukturen aufzulösen, sie bitte darum, der Schulsozialarbeit Zeit zu lassen, Sozialarbeit sei keine Mathematik.

Herr Schier stellte das Projekt „Kurve kriegen“ vor. Bei diesem Präventionsprojekt arbeiteten Polizei und Jugendarbeit nicht nur unter einem Dach, sondern an einem Tisch. Seit 2016 gebe es diesen Ansatz in Düsseldorf für Kinder ab 11 Jahren. Ziel sei es, ein Abrutschen in die Jugendkriminalität zu verhindern. Der jüngste Tatverdächtige eines Raubes sei erst 8 Jahre alt gewesen. Herr Schier wandte sich gegen den Begriff „Intensivtäter“, es gehe bei der Polizei um „Intensiv-Tatverdächtige“ und darum, diese rechtzeitig durch ein eigenes Screening zu identifizieren und ihnen gezielt zu helfen. Oft melde die Schulsozialarbeit auffällige und gefährdete Kinder, die „Kurve kriegen“ dann anspreche. Anschließend führte Herr Schier den mitgebrachten Informationsfilm über das Projekt „Kurve kriegen“ vor. (https://www.kurvekriegen.nrw.de/).

 

Andreas Britz hielt das Schlusswort, bevor Frau Willms dem Podium dankte und die Eltern Gelegenheit zu Fragen bekamen.


Links:

Film Kurve Kriegen:

https://www.youtube.com/watch?v=3FSADv7XYCY

 

Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen:

https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000524

 

Grüne Liste Prävention, Empfehlungsliste

https://www.gruene-liste-praevention.de/nano.cms/datenbank/alle

 

Umfrage des Philologenverbands zur Gewalt gegen Lehrkräfte:

https://phv-nrw.de/wp-content/uploads/2023/11/20231110_Umfrage_GewaltLuL.pdf

 

Buchtipps:

Herpell, Gabriela.  Schäfer, Mechthild r. (2010)

Du Opfer!: Wenn Kinder Kinder fertigmachen. Rowohlt


Lehel, Tom. (2020). Wir wollen Mobbingfrei! Schau hin, nicht weg!

Das Anti-Mobbing-Buch. 360 Grad Verlag



Ergebnisse unserer Umfrage: Mobbing und Gewalt an Schulen vorbeugen:

(238 abgeschlossenen Beantwortungen, 11.09.2024 – 01.10.2024)


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